Stellungnahme des Landesjugendrings NRW zum Strategiepapier der Landesregierung

Artikel vom Landesjugendring NRW

1. Jungdenken – Kinder und Jugendliche als Querschnittsthema mitdenken

Der Landesjugendring NRW begrüßt, dass die Landesregierung ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept für NRW erarbeitet. Ein Großteil aller politischen Handlungen hat nachhaltige soziale und ökologische Auswirkungen. So sind die heutigen und zukünftigen Generationen der Kinder und Jugendlichen in unserem Land von Gesetzen, Erlassen und Richtlinien der Landespolitik direkt betroffen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels muss die Perspektive der heutigen und zukünftigen Generationen junger Menschen in einer Nachhaltigkeitsstrategie für NRW als Querschnittsthema fest verankert sein. Ein nachhaltiges Denken und Handeln im Sinne heutiger und folgender Generationen erfordert eine konsequente Überprüfung aller Gesetzesvorhaben und deren Umsetzung in Politik und Verwaltung.
Ein Jugendcheck für NRW
Um die Perspektive zukünftiger Generationen konsequent zu implementieren, fordert der Landesjugendring NRW, dass alle politischen Entscheidungen auf ihre Folgen für junge Menschen überprüft werden müssen. Konkret bedeutet ein Jugendcheck für NRW, dass Gesetzesvorschläge bei Einbringung einen Passus enthalten müssen, in dem die vorschlagenden Fraktionen auf die Folgen für junge Menschen eingehen. Hierbei müssen die politisch Verantwortlichen die drei Säulen der UN-Kinderrechtskonvention „Schutz, Förderung und Beteiligung“ prüfen und die Folgen in einem ersten Durchgang für gegenwärtig junge Menschen und anschließend für zukünftige Generationen beschreiben. Optional ist eine Evaluation der Konsequenzen für junge Menschen zu beschließen.

2. Umdenken

Veränderung fängt im eigenen Arbeits- und Handlungsfeld an. Politische Beschlüsse der landesweit tätigen Jugendverbände im Landesjugendring NRW weisen die Richtung für nachhaltiges Agieren im eigenen Umfeld und fordern darüber hinaus ein Umdenken in Politik und Verwaltung. Deshalb haben die Jugendverbände NRWs insbesondere auf Landesebene Leitlinien und Kriterien für eine nachhaltige Jugendarbeit entwickelt und implementieren diese zunehmend in ihre Arbeit.
Einige Vorstellungen der Jugend-Vertreter/innen zu den Handlungsfeldern Nachhaltiger Konsum sowie Gute und Faire Arbeit in der NRW Nachhaltigkeitsstrategie seien an dieser Stelle genannt.
Nachhaltiger Konsum
Wie der jüngst an die Schülerin Malala Yousafzai vergebene Friedensnobelpreis zeigt, tragen Bildung und Aufklärung unbedingt zu einem bewussten und zukunftsweisenden Lebensstil bei.
Als Träger für außerschulische Bildung nehmen die Jugendverbände in NRW ihren Bildungsauftrag und ihre Verantwortung ernst. Sie schaffen Experimentierräume für einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Kultur und geben Freiräume für das eigene Erleben und Reflektieren.
Die Idee eines global verantwortlichen und nachhaltigen Konsums zu vermitteln, braucht dauerhafte personelle und finanzielle Ressourcen. Die politische und pädagogische Arbeit muss dementsprechend langfristig landesweit finanziell abgesichert sein.
Kritischer Konsum in der Praxis
Mit dem Beschluss der Vollversammlung des Landesjugendrings NRW „Weil heute schon morgen ist“ verpflichten sich die Mitgliedsverbände in ihrer Bildungsarbeit und ihrem politischen Handeln zu verdeutlichen, dass die Einhaltung von Menschenrechten und der Schutz der Umwelt maßgebliche Kriterien des alltäglichen Konsums sind. Die Verwendung von vorrangig ökologisch und fair gehandelten und/oder regionalen Produkten ist somit nicht nur politisches Signal, sondern tatsächlicher Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.
Auch die öffentliche Hand ist ein relevanter Beschaffer am Markt und kann so selbst Vorbild für den ökofairen Einkauf sein. Der Gedanke der Selbstverpflichtung von landeseigenen öffentlichen Einrichtungen ist ein denkbares Instrument für die Nachhaltigkeitsstrategie NRW.
Gute und Faire Arbeit
Kinderarbeit
Die Kinder- und Jugendverbände in NRW weisen auf § 32 der UN-Kinderrechtskonvention hin (Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung). Die Ablehnung der lediglich „schlimmsten Formen“ von Kinderarbeit ist nicht ausreichend. Auf der anderen Seite sind insbesondere im globalen Kontext die Forderungen nach Selbstorganisationen von Kindern zu berücksichtigen, unter welchen Bedingungen Kinderarbeit möglich sein soll.
Bildungs- und Erwerbsbiographien
Für Kinder und Jugendliche bedeutet die Erwerbslosigkeit oder prekäre Beschäftigung („working poor“) ihrer Eltern existenzielle Angst. Die Fortsetzung einer (Familien-)Biografie des Ausschlusses von Beteiligung an der Zivilgesellschaft und der Entfremdung von gesellschaftlichem Leben sind reale Risiken für junge Menschen. Sie können nachhaltige Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und für die junger Menschen Erwerbsverläufe verursachen.
Ein Mindestlohn auch für Minderjährige, die Reduzierung von Ein-Euro-Jobs und Minijobs, sowie die Abschaffung von Sanktionsmechanismen, die einen subventionierten Niedriglohnsektor hervorbringen sind grundlegende Voraussetzungen für gute und faire Arbeit sowohl für heutige als auch für zukünftige Generationen junger Menschen.
Gute und Faire Ausbildung
Junge Menschen werden unverändert als nicht „ausbildungsreif“ beschrieben. In NRW bilden weniger als 25 % der Unternehmen aus. Diese Quote muss erhöht werden. Der Ausbildungsreport der DGB-Jugend NRW weist auf, dass berufsvorbereitende Maßnahmen des sogenannten Übergangssystems kaum positive Effekte für junge Menschen mit sich bringen. Die Ausbildungsstatistiken der Unternehmen, die ein Überangebot von Ausbildungsplätzen kommunizieren, lassen eine bewusste intransparente Darstellung von Landesregierung und Arbeitgeberverbänden vermuten.
Grundsätzlich finden junge Menschen oft nur schwer einen Ausbildungsplatz. Haben sie die erste Hürde genommen kommt es während der Ausbildung häufig zu Problemen in der Ausbildung. Ausbildungsferne Tätigkeiten müssen erbracht und Überstunden geleistet werden, auf Jugendarbeitsschutz wird viel zu häufig keinen Wert gelegt. Die Jugendverbände in NRW fordern daher neben guter Arbeit auch gute Ausbildungsbedingungen.
Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt
Für eine gleichberechtigte Teilhabe an Erwerbsarbeit muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor verbessert werden. Maßnahmen dürfen dabei nicht allein auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen abzielen, sondern gerade auch für Männer. Die Kinder- und Jugendverbände treten für eine Gleichberechtigung der Geschlechter ein, bieten emanzipatorische Mädchen- und Jungenarbeit an und unterstützen Jugendliche in ihrer biografischen Entscheidung für Ausbildung und Erwerbsarbeit. Wir fordern die Landesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, die das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern schließen.
Wir begrüßen Landesinitiativen für Gute Arbeit, kritisieren jedoch, dass in ihnen dem Wettbewerb und der Sicherung finanzwirtschaftlicher Strukturen ein höheres Gewicht als dem Wohlergehen von Menschen eingeräumt wird.

3. Beteiligen

Junge Menschen in Jugendverbänden setzen sich auf ihre Weise mit den Handlungsfeldern aus der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie auseinander: Klimaschutz, Energiewende, Biodiversität, Faire Arbeit oder Nachhaltiger Konsum werden in Bildungsveranstaltungen und Arbeitsmaterialien thematisiert. Als Teil der Zivilgesellschaft können die Vertreterinnen und Vertreter der Jugendverbandsarbeit einen landespolitischen Beitrag leisten. Junge Menschen sind offen für anstehende und notwendige Veränderungsprozesse. Deshalb werden sie sich auch aktiv am 3. Nachhaltigkeitskongress der Landesregierung beteiligen.

4. Schlussfolgerung: Eine Nachhaltigkeitsstrategie für strukturelle Veränderungen

Eine zielführende Nachhaltigkeitsstrategie für NRW kann nur konsequent entwickelt und umgesetzt werden, wenn jegliche Entscheidungen und Teilkonzepte in allen Handlungsfeldern nicht kurzfristig und projektorientiert, sondern langfristig und strukturell gedacht werden.
Ökologische, ökonomische und soziale Folgen müssen auch für folgende Generationen berücksichtigt werden. Die Perspektive von Kindern und Jugendlichen ist dabei unerlässlich.

5. Quellenverweis:

Deutscher Bundesjugendring (DBJR) 2014: Position 96 „Sozialpolitische Leitlinien“ des DBJR (eingesehen am 15.10.2014)
Deutscher Gewerkschaftsbund Jugend (DGB-Jugend) NRW 2013: Ausbildungsreport (eingesehen am 15.10.2014)
Landesjugendring NRW 2013: „Weil heute schon morgen ist“ Beschluss der Vollversammlung vom 09.10.2013 (eingesehen am 15.10.2014)